SIA-Charta für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum

Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA ist der massgebende Berufsverband für Planerinnen und Planer. Unter seinem Dach vereint er rund 16'500 qualifizierte Fachleute der Bereiche Architektur, Ingenieurbau, Technik und Umwelt. Gemeinsam sind sie wirkungsvoll für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum. Sie möchten einer kulturell fundierten Nachhaltigkeit im Sinne des «Davos Qualitätssystems für Baukultur» zu breiter Anerkennung und Anwendung verhelfen.

Konkret heisst das:

Die Erreichung von Netto-Null bis spätestens 2050 ist zwingend. Der SIA fordert das Weiterbauen im Bestand und eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Ausserdem ist der angestrebte, rasche Ausbau der erneuerbaren Energien zwingend.
Der SIA fördert ein ganzheitliches Verständnis von Baukultur. Sie soll ein zentrales Thema der Kulturbotschaft 2025-2028 und gesetzlich verankert werden.
Die Gestaltung unseres Lebensraums beginnt mit einer fairen Beschaffung, für die sich der SIA engagiert. Zudem fördert der SIA den Qualitätswettbewerb.
Das duale Bildungssystem ist zu stärken. Die Qualität der Bildungsgänge muss sichergestellt werden und die Aussagekraft von Abschlüssen und Titeln klar erkennbar sein.
Der SIA sensibilisiert alle am Bau Beteiligten und erarbeitet eine Empfehlung für den Umgang mit Daten. Digitale Prozesse und offene Standards gewährleisten, dass ein kollaboratives Arbeiten möglich ist.
Der konsequente Natur- und Landschaftsschutz sowie die Förderung der Biodiversität bilden das Fundament einer nachhaltigen Gestaltung unseres Lebensraums. Der SIA fordert, dass die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet eingehalten wird und auch die Raumplanung sich vermehrt am Suffizienzprinzip orientiert

Klima und Energie
Der Klimawandel ist eine der grössten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Der SIA anerkennt, dass die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden muss, und dass eine Anpassung ans zukünftige Klima notwendig ist. Um diese Ziele zu erreichen, fordert die Planungsbranche einen energieeffizienten und energieerzeugenden Gebäude- und Infrastrukturpark mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen.
1. 1Eine Reduktion der Treibhausgase um 60% bis 2030 und die Erreichung von Netto-Null bis spätestens 2050 ist zwingend.
2. 2Der SIA fordert das Weiterbauen im Bestand sowie die Wiederverwendung und den sparsamen Einsatz von Ressourcen zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft.
3. 3Beim Ausbau der erneuerbaren Energien fordert der SIA ein schnelles und zugleich differenziertes Vorgehen. Biodiversität und Landschaftsschutz müssen berücksichtigt werden.
4. 4Klimaanpassung ist unumgänglich: Bereits bei der Planung ist die Entwicklung des zukünftigen Klimas bezüglich Hitze, Trockenheit und Starkregen mit einzubeziehen.
Baukultur
Der gestaltete Lebensraum umgibt uns, wo immer wir uns gerade befinden. Eine hohe Baukultur ist deshalb wichtig für das Wohlbefinden aller. Diese versteht den gesamten gestalteten Lebensraum als eine Einheit: vom Bestand bis zur zeitgenössischen Gestaltung, vom kleinen Handwerksdetail über Gebäude und Freiräume bis zu grossmassstäblichen Infrastrukturen.
1. 1Der SIA fordert, dass die Baukultur ein zentrales Thema der Kulturbotschaft 2025-2028 wird.
2. 2Der SIA will das ganzheitliche Verständnis von Baukultur stärken, damit ein Interessensausgleich zwischen unterschiedlichen Dimensionen der Baukultur gefördert wird.
3. 3Der SIA fordert die gesetzliche Verankerung einer hohen Baukultur.
4. 4Der SIA setzt sich dafür ein, den Runden Tisch Baukultur Schweiz als nationalen Stakeholder der internationalen Davos Baukultur Alliance zu stärken.
Beschaffungswesen
Die Qualität und Nachhaltigkeit einer Baute werden in der Planung definiert. Deshalb ist die Beschaffung von hochwertigen Planungsleistungen das zentrale Instrument für die gesellschaftliche Forderung nach einem nachhaltig gestalteten Lebensraum.
1. 1Qualitätswettbewerb: Der SIA fördert die Durchsetzung des gesetzlich festgehaltenen Paradigmenwechsels «Qualität vor Preis» in der Beschaffung von Planungsleistungen auch auf kantonaler und kommunaler Ebene.
2. 2Faire Bedingungen: Der SIA will sicherstellen, dass Bauherrschaften Aufträge für alle Beteiligten fair vergeben, und setzt sich für die Gleichbehandlung der Teilnehmenden ein.
3. 3Nachhaltigkeit: Der SIA fordert, dass die soziale, ökologische, ökonomische und kulturelle Nachhaltigkeit eines Bauprojekts bereits in der Beschaffung berücksichtig wird.
Bildung
Die Gestaltung des Lebensraums ist für alle fundamental und wird in Zeiten des Klimawandels zunehmend komplexer und wichtiger. Damit Planende ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, benötigen sie eine qualitativ hochwertige und ganzheitliche Bildung.
1. 1Die Differenzierung des dualen Bildungssystems ist zu stärken, und die auf den Bedarf der Planungsbüros ausgerichteten Lehren sind zu fördern.
2. 2Die Qualität der Bildungsgänge muss gesichert und die Aussagekraft von Abschlüssen und Titeln klar erkennbar sein. Grundlage für diese dürfen nicht quantitativer, sondern müssen qualitativer Natur sein.
3. 3Der SIA setzt sich für ein lebenslanges Lernen ein: Der Bildungsweg von Fachleuten aus hochkomplexen Berufen darf nicht mit dem Abschluss enden. Eine fachspezifische und -übergreifende Fortbildung während der Berufstätigkeit ist unabdingbar.
Digitale Transformation
Die Digitale Transformation ist ein Prozess der stetigen Weiterentwicklung digitaler Technologien, die Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen und umfasst mehr als die reine Technologie. Im Bereich der Bau- und Planungsbranche verändert sie unter anderem die Zusammenarbeit oder wie Bauten und Infrastrukturen geplant, gebaut und betrieben werden. Dabei hilft sie auch bei drängenden Themen wie beispielsweise der Erreichung der Klimaziele, der Kreislauffähigkeit von Ressourcen oder der Etablierung von Instrumenten für die Arbeitssicherheit, und sie gewährleistet effiziente und effektive Arbeitsabläufe.
1. 1Der SIA sensibilisiert alle am Bau Beteiligten, die mit kritischen Infrastrukturen betraut sind. Hierfür arbeitet er an einheitlichen Vorgaben, fördert den interdisziplinären Austausch und fordert international anwendbare Normen, die für die Schweiz adaptiert sind.
2. 2Die Prinzipien des Open Data Governments (OGD) des Bundes sollen auch für den Bau und Betrieb von Infrastrukturen und Gebäuden gelten. Mit dem Schaffen einer Zentralstelle für relevante Bau- und Immobilien-Daten sollen diese für alle zugänglich gemacht werden.
3. 3Der SIA fordert eine Harmonisierung der Gesetzgebung und behördlichen Vorgaben, um den grössten Nutzen aus der Digitalisierung zu ziehen.
4. 4Der SIA anerkennt, dass die Digitalisierung im Bauwesen Flexibilität in den Abwicklungsmethoden erfordert, und unterstützt diese, wo sinnvoll, mit Normen und Ordnungen.
Raumplanung
Die Qualität des Raums, unbebaut oder bebaut, ist entscheidend für das Wohlbefinden aller. Der SIA macht sich stark für eine hochwertige, sozialverträgliche und ressourcenschonende Siedlungs- und Landschaftsentwicklung sowie für eine darauf abgestimmte, umweltfreundliche Verkehrsplanung. Nur so kann den multiplen raumwirksamen Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem Biodiversitätsverlust, dem Bevölkerungswachstum, der Wohnungsknappheit, dem steigenden Mieten, der Zersiedelung und dem demographischen Wandel begegnet werden.
1. 1Der SIA fordert, dass die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet konsequent eingehalten wird, um Landschaft und Biodiversität zu schützen.
2. 2Der SIA verlangt eine Umsetzung der in der ersten Teilrevision des RPG geforderten Siedlungsentwicklung nach innen, unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Anforderungen und eines vernünftigen Lärmschutzes.
3. 3Unsere Raumplanung soll den Klimaschutz und einen sparsamen Umgang mit Ressourcen in den Mittelpunkt stellen und die dringend nötige Klimaanpassung berücksichtigen.